Neben etlichen gewöhnlichen besitzt der Kaufbeurer Schachklub 1892 auch besondere Eigenschaften.
Das betrifft sowohl die Tatsache, dass er als einer von nur fünf Kaufbeurer Vereinen eine lückenlose und lebendige Geschichte ins 19. Jahrhundert vorzuweisen hat, als auch eine andere traditionelle Einzigartigkeit: Die Klubtreue unserer Spitzenspieler. Sie wohnen verstreut in Bayern, lassen Zuwendung und Einsatz erkennen und sind fähig, auf dem etwas gebeugten Haupt unseres Schachklubs die Fahne des Triumphes aufzuziehen.
Warum das so ist? Nun, ganz einfach – der Schachklub Kaufbeuren ist ihnen als Freundeskreis zugewachsen, dem sie sich - offenbar lebenslang – verbunden und verpflichtet fühlen. Das ist ungewöhnlich, aber erklärt sich aus der Tatsache, dass unser Klub keine Ordnungsprinzipien, sondern Lebensart vermittelt. Also auch das Geschenk der Freundschaft.

Es musste ein Verein sein. Ja, was denn sonst?

Mit 6.500 Einwohnern in behäbiger Provinz pflegten auch die Kaufbeurer Bürger Geselligkeit aus gemeinsamer Liebhaberei. Unter der Vielzahl von Vereinsgründungen am Ende des 19. Jahrhunderts trat auch der Kaufbeurer Schachklub in die Öffentlichkeit.
Am 1. Dezember 1892 setzten sich sieben Kaufbeurer im Gasthaus „Hasen“ zusammen:
Fritz Kohler, Ludwig Ludwig, Fritz Schmid, Georg Prückelmayer, Christian Dummler, Richard Rohm und Richard Wiedemann. Sie vereinbarten Statuten und wählten einen Vorstand. Bei einem Jahresbeitrag von zwei Mark und einem „Einsatz“ von 20 Pfennigen für jede Partie spielte man von nun an im Winter jeden Dienstag Schach.
Die Entscheidungspartie um die erste Vereinsmeisterschaft wurde im Juni 1893 in sonderbarer Höhenlage ausgetragen – auf dem „Säuling“ bei Füssen (2047 Meter über NN). Damals von Kaufbeuren aus eine anspruchsvolle Tagestour. Unter diesen Umständen ist diese Schachpartie auch als physische Meisterleistung zu werten.
Ludwig Ludwig, dessen patriotische Eltern ihm diesen geradezu obszönen Doppelnamen aufgezwungen haben, wurde erster Vereinsmeister der Kaufbeurer Schachgeschichte.


Ludwig Ludwig.
Hier (Mitte) posiert er 1888 als Mitbegründer des "Kaufbeurer Athletik-Vereins"


Obwohl dem Klub bis 1914 nie mehr als 20 Mitglieder angehörten, war man sehr darauf bedacht, Neuerungen einzuführen oder die Spielstärke zu fördern. 1909 wurde die Anschaffung einer Schachuhr beschlossen, ein Jahr später stellte Vorstand Bayer ein selbstgefertigtes Demonstrationsbrett vor und verfasste ein „Eröffnungsbüchlein“. Simultanveranstaltungen mit Schachmeistern wie Jaques Mieses, Rudolf Spielmann und Hans Fahrni stellten die Mitglieder vor neue Herausforderungen, Wettkämpfe mit anderen Vereinen kamen der Spielpraxis zugute.

Der Kaufbeurer Schachklub nach dem Ersten Weltkrieg

Nach dem Ersten Weltkrieg belebte sich das Schachgeschehen in der Region. Am 25.9.1921 wurde der Allgäuer Schachverband auf Anregung des Schachklubs Kempten von den Vereinen Kaufbeuren, Kempten und Lindau auf dem Schlosskeller zu Oberstaufen gegründet. Die drei Vereine bedienten künftig auch eine gemeinsame Schachspalte in den „Allgäuer Neuesten Nachrichten“.
In den Jahren 1928 bis 1936 steigerte sich die Spielstärke des Kaufbeurer Schachklubs beträchtlich. Das war vor allem dem Studienrat Josef Meier zu verdanken, Bayerischer Schachmeister 1924. 1933 gehörten dem Klub 70 zahlende Mitglieder an. Meier führte 1928 zum ersten Mal ein „Blitzturnier“ ein. Alle 5 Sekunden wurden die Spieler durch Hammerschlag aufgefordert, zu ziehen.
Ein Blind-Simultanwettkampf von Schachmeister Efim Bogoljubow gegen 10 Klubspieler am 29.11.1938 blieb das letzte Kaufbeurer Schachereignis vor dem Zweiten Weltkrieg.

Der Schachklub seit 1945

Zwölf Jahre später, am 18.1.1950, erschien Bogoljubow erneut zu einer Simultanveranstaltung in Kaufbeuren. In der Zwischenzeit, am 14.2.1947, durfte mit Erlaubnis der amerikanischen Militärregierung die Neugründung des Schachklubs erfolgen. Die Tatsache, dass im jetzigen Stadtteil Neugablonz 1946 der Zuzug von Vertriebenen aus dem Sudetenland einsetzte, begünstigte die Entwicklung des Klubs. Als Beispiel sei Max Zappe genannt, der 1950 Bayerischer Schachmeister wurde.
Über einen Zuwachs an Mitgliedern konnte sich der Klub ohnehin nicht beklagen. 1966 waren unter seiner Obhut 75 Schachspieler versammelt. Das zeigte sich auch an öffentlicher Aufmerksamkeit. Am 15. und 16.6.1971 richtete Kaufbeuren im Stadtsaal den Länderkampf zwischen der Schweiz und Bayern aus. Der Kaufbeurer Vereinsmeister Heinz Dietrich spielte an Brett 16.

Wieder ein Neubeginn

1973 geriet der Verein in eine krisenhafte Situation. Interne Auseinandersetzungen führten zu einer Art Scheintod, der erst am 8.11.1975 mit der Auferstehung endete, aber zugleich eine neue Erfolgsgeschichte einleitete. Denn schon 1979 spielte die 1. Mannschaft in der Regionalliga Südwest. Zu dieser Zeit konnte der Klub drei Mannschaften für die Verbandsspiele melden. In den Jahren 1980 bis 1992 besuchten die Schachklub-Mitglieder regelmäßig in- und ausländische Turniere: Bad Aibling, Caorle, Gaeta und vor allem Klausen und Leutasch.
Das hundertjährige Bestehen des Klubs 1992 war von nachdenklicher Rückschau und etwas ängstlicher Vorausschau begleitet. Er musste, wie andere Vereine auch, einen Generationswechsel hinnehmen. Das Simultanturnier mit Großmeister Artur Jussupow zu diesem Anlas lockte zwar etliche Freizeitspieler aus der Verborgenheit. Aber es blieb keine Antwort auf die Frage: „Warum scheuen sich unsere jugendlichen Schachspieler, in einem Schachklub ihre Grundkenntnisse zu präsentieren und anschließend mit erfahrener Begleitung diese Grundkenntnisse am Schachbrett zu vertiefen?“
Die Jahre von 1992 bis zur Gegenwart werden im Kaufbeurer Schachklub von dieser Frage begleitet. Eine merkwürdige Eigenschaft dieser Frage ist die, dass es für sie eine Fülle von Antworten gibt, aber keine, die so überzeugend ist, ohne gleichzeitig ein gesellschaftliches Problem zu beschreiben. Sind Vereine – und der damit verbundene bürgerliche Selbstwille – ein Anachronismus? Oder hat der bürgerliche Selbstwille soviel an Begeisterungsfähigkeit verloren, dass sich ihm kein Jugendlicher verbunden oder gar verpflichtet fühlt?
Eines ist gewiss. Auch in Zukunft wird Schach gespielt. Im Schachklub Kaufbeuren wären dafür beste Bedingungen vorzufinden.

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